Rebellinnen? Emanzen? Demokratinnen? (2018)

Ein ungewöhnlicher Blickpunkt im Dietrich Bonhoeffer-Haus waren Porträts der Künstlerin Käthe Kollwitz, der Philosophin Simone de Beauvoir, der Journalistin Marion Gräfin Dönhoff und der Politikerin Hildegard Hamm-Brücher. Ihr Leben, ihre Arbeit waren Themen des Abends „Rebellinnen? Emanzen? Demokratinnen!“, gestaltet von Sylvia Knoth und Elfriede Maresch als Sprecherinnen sowie Katrin Louisa Hruschka (Sopran) und Dr. Peter Möser (Klavier). Eingeladen hatte der Vogelsberger Kultur- und Geschichtsverein, unterstützt durch die Aktion „Demokratie leben!“  „Wir hatten schon öfter Collagen aus biografischen und literarischen Texten mit Live-Musik – das Konzept findet Anklang “ freute sich die Geschichtsvereinsvereinsvorsitzende Elke Schmidt bei der Begrüßung der 60 Besucher.

Elffriede Maresch

„Gossenkunst“ entdeckte Kaiser Wilhelm II. auch bei Käthe Kollwitz, als „kleine Sartreuse“ wurde de Beauvoir in den Schatten ihres Freundes Jean-Paul Sartre verwiesen, das Etikett „Inge Meysel des deutschen Journalismus“ bekam Dönhoff vom boshaften Literaturkritiker Fritz Radatz verpasst und Hamm-Brücher galt im bayrischen Landtag kurz und bündig als „Krampfhenne“ – offensichtlich zahlen Frauen, die für ihre Überzeugung einstehen, einen Preis. Also eine „Galerie launischer Zicken, verrannter Rechthaberinnen und abstoßender Gestalten ohne Herz, Hirn und Charme“, wie Knoth und Maresch ihr Publikum ironisch vorwarnten?  So schlimm kam es nicht: beide Sprecherinnen skizzierten Lebensporträts kluger Frauen mit Zivilcourage und ganz unterschiedlichen Talenten. erzählten lebendig, anschaulich unter Nutzung vieler Quellen.

Sylvia Knoth

So spiegelte das Porträt von Käthe Kollwitz, von Maresch dargestellt, auch Mentalitätsgeschichte: die Aufbruchsstimmung junger Künstlerinnen um 1900, ihren Kampf um professionelle Ausbildung, ihr Problem, sich in der offiziellen Kunstszene zu platzieren – und das Zurückweisen auf die „natürliche Aufgabe als Hausfrau und Mutter“ durch die offizielle Kunstkritik. Ausnahmeerscheinung Käthe Kollwitz: inspiriert durch Gerhard Hauptmanns Drama „Die Weber“ schuf die Künstlerin einen erschütternden Zyklus von Lithografien und Radierungen, von dem hier Repros gezeigt wurden, und wurde später als erste Frau Mitglied der Preußischen Akademie der Künste. Maresch konnte darstellen, wie die täglichen Erfahrungen als Ehefrau eines Armenarztes Kollwitz dazu brachten, als Künstlerin Elend und Ausbeutung darzustellen, Gerechtigkeit einzufordern und für Frieden einzutreten.

„Man wird nicht als Frau geboren, man wird dazu gemacht“. Sylvia Knoth, die sich intensiv ins Werk Simone de Beauvoirs eingelesen hatte und auch Szenen aus dem Roman „Sie kam und blieb“ vortrug, begann mit der bekannten Aussage, schilderte Schulzeit, Studium, erste Veröffentlichungen der jungen Intellektuellen, die Zeit in der Résistance, dann 1948 ihre bis heute nachwirkende Veröffentlichung „Das andere Geschlecht“, das sie, wenn auch nicht unumstritten, zu einer der Leitfiguren der Frauenbewegung machte. Als Arbeitsbeziehung äußerst produktiv, menschlich oft enttäuschend, war die Liaison mit Jean-Paul Sartre.

Katrin Louisa Hruschka (Sopran) und Dr. Peter Möser (Klavier)

Dazwischen Musik: das Protestlied „Trotz alledem“, Hildegard Knefs keckes „Berlin, deine Haut hat Sommersprossen“, auch zwei Chansons „Padam“ und das rebellische „Non, je ne regrette rien“, das allen vier dargestellten Frauen entsprach. Begeisterten Applaus gab es für die Sängerin Kathrin Hruschka. Besonders bei den Chansons traf sie die richtige Mischung von Selbstbewusstsein, Charme und einem Hauch Pathos, am Klavier begleitet vom leidenschaftlichen Musikfreund Peter Möser.

Lebensabschnitte Hildegard Hamm-Brüchers stellte Sylvia Knoth dar: als jugendliche „Halbjüdin“ in bedrohlicher Situation, aber von ihrem Professor geschützt, dann als überzeugte Liberale Jahrzehnte der Politik auf kommunaler, Landes- und Bundesebene, oft im Gegensatz zu ihrer eigenen Partei, der FDP. Maresch schloss mit dem Porträt Marion Gräfin Dönhoffs, dem krassen Lebensumschwung von der ostpreußischen Gutsbesitzerin zur international anerkannten Journalistin. Nach großem Applaus bedankt sich Elke Schmidt bei den Vortragenden und verabschiedet sie mit den Worten: „Nächstes Jahr wollen wir wieder einen solchen Abend anbieten!“