Einblicke in die koschere Küche (2022)

Schotten (det). Im Vogelsberger Kultur- und Geschichtsverein ist die Frankfurterin Sabine Mannel ein willkommener Gast, nachdem sie dort vor Monaten sehr authentisch die Lebensgeschichte von Gutle Rothschild, der Stammmutter der legendären Banker-Dynastie vorgestellt hat. Jetzt konnte die Vereinsvorsitzende Dr. Jutta Kneißel wieder die Referentin aus Frankurt mit einem jüdischen Thema begrüßen „Alles koscher – oder was?“

Sabine Mannel studierte Kunstgeschichte und Archäologie und hat sich als Mitbegründerin der „Kulturothek – Agentur für Stadtgeschichte“ intensiv in die Historie ihrer Heimatstadt eingearbeitet, auch in die der alten jüdischen Bürgerschaft. So überraschte sie das Publikum im Bonhoeffer-Haus mit einem kulinarisch-historischen Abend und vielen Kostproben. Es ging nicht um das simple Weitergeben von Rezepten, sondern um einen Blick auf die Alltags- und Festkultur einstiger jüdischer Familien und Gemeinden, die sich in der Art des Kochens ausdrückte.

Das alte Frankfurt mit der Judengasse. (Foto Drinkuth)

Zentral war die Beachtung der Vorschrift, welche Lebensmittel nach den Speisegesetzen der Thora und der Halacha erlaubt, also „koscher“, und welche verboten („treife“) sind. Grundsätzlich verlangt wird die Trennung von Milchprodukten und Fleisch, strenggläubige Familien nutzen manchmal sogar unterschiedliches Geschirr. Nur das Fleisch von Tieren mit gespaltenem Huf, die wiederkäuen und auf rituelle jüdische Art geschlachtet („geschächtet“) wurden, darf gegessen werden, also Rind, Lamm, Ziege, außerdem Hühnchen, Fisch, Reh.

Zur Faszination des Abends trug bei, dass die Referentin Kostproben solcher koscheren Speisen, insbesondere der traditionellen Festtagsgerichte mitgebracht hatte. Alle Teilnehmenden konnten probieren. Als erstes gab es Schalet, ein langsam geschmortes Gericht aus Rind, Karotten, Bohnen und Graupen. Weil es schon am Vorabend des Schabbath begonnen werden kann, wird damit die streng gebotene Ruhe des Feiertags eingehalten. Heute wird die Zeitschaltuhr des Herdes genutzt.

Rosch ha-Schana ist das jüdische Neujahrsfest im Frühherbst, nach dem Mondkalender festgelegt und mit Fastagen verbunden. Die jüdische Gemeinde trifft sich in der Synagoge. Damit das neue Jahr süß werden soll, sind Honig, Äpfel und „Meerenzimmes“ traditionelle Speisen. Mannel ließ das herzhafte, mit Zimt gewürzte Karottengericht probieren.

Sieben Tage später ist Jom Kippur, der Versöhnungstag. Streit aller Gemeindeglieder untereinander soll da ein Ende habe, aber Mannel las ein pfiffiges Mundartgedicht von Karl Eppinger vor. Ganz klar – Juden wie Christen können einen Tag lang heucheln, danach „treff se all der Schlag!“ Nur leichte Speisen werden an diesem Tag gegessen und Mannel zeigte ein Bild aus dem häuslichen Gebetsraum der Familie Rothschild.

Die Historikerin Sabine Mannel führt in die Esskultur jüdischer Familien im alten Frankfurt ein. (Foto Maresch)

Den Charakter eines Erntedankfestes hat Sukkot, 17 Tage nach dem Neujahrsfest. Wo Laubhütten gebaut werden können, werden sie mit Früchten und Gemüse geschmückt. Wieder ließ Mannel probieren, es gibt dann Krautwickel und Zitrusfrüchte.

Auch Chanukka, das Lichterfest, erinnert an die Geschichte des Volkes Israel. Die Syrer belagerten Jerusalem, Hunger herrschte, selbst das Öl für das Ewige Licht im Tempel reichte nur noch einen Tag, aber durch göttliche Fügung hielt das Flämmchen sieben Tage durch. Chanukka wird in den Wohnungen, aber in Frankfurt auch im Freien vor der Alten Oper gefeiert. An diesem Tag werden in Öl gebackene Speisen serviert und Mannel hatte Kräppelchen mitgebracht.

Mazzen: ungesäuertes Brot (Foto Drinkuth)

Purim ist Frühlings-, aber auch Errettungsfest, und erinnert, wie die kluge Jüdin Ester ein drohendes Pogrom an ihrem Volk durch den intriganten hohen Beamten Haman im persischen Reich abwenden konnte. Kinder verkleiden sich an diesem Tag, machen mit Klappern und Rätschen Lärm, wenn der Name Haman fällt. Auch Mannel hatte Lärminstrumente mitgebracht, dazu „Hamantaschen“, dreieckige gefüllte Plätzchen, die an den Hut Hamans erinnern. Eine spezielle Frankfurter Variante ist „Vinzpurim“, das an den in Plünderung und Vertreibung der Frankfurter Juden abgeglittenen Aufstand des Vinzenz Fettmilch von 1614 erinnert.

Ein hoher jüdischer Feiertag ist schließlich Pessach zur Erinnerung an die Verschonung in Ägypten und den Aufbruch aus der Sklaverei. Es gibt eigenes Festgeschirr, traditionell wird Lammfleisch und ungesäuertes Brot (Mazzen) gegessen. Mannel zeigte ein Karussett, einen Rundständer für verschiedene symbolische Speisen.

„Neue Inhalte und Formen der Geschichtsvermittlung finden“ hatte Sabine Mannel schon bei der Gründung der Kulturothek vor 30 Jahren als großes Arbeitsziel definiert. Bei diesem Abend in Schotten ist ihr das absolut gelungen.

Ein kleines Dankeschön von der Vereinsvorsitzenden Jutta Kneißel (Foto Drinkuth)

Quelle: Kreis Anzeiger 17.11.2022

Die Veranstaltung wurde aus Mitteln des Bundesprogramms Demokratie leben gefördert.