Geschichte der Tonaufzeichnung (2017)

Mit Tondokumente, aus dem Deutschen Rundfunkarchiv, historischen Fotos und Schemazeichnungen verdeutlichte Hans Schubert seinen Vortrag „Geschichte der Tonaufzeichnung“ im Dietrich Bonhoeffer-Haus. Der Vogelsberger Kultur- und Geschichtsverein und die Stiftung Liebfrauenkirche hatten eingeladen, Spenden der Zuhörer flossen dem Vogelsberger Heimatmuseum und der Kirchturmsanierung zu.

Hans Schubert

Schubert, der als Toningenieur beim hessischen Rundfunkt und später beim Deutschen Rundfunkarchiv tätig war, stellte im ersten Teil seines Vortrags Geräte mit Nadelton vor, nannte Vorläufer: die Sprechmaschine Wolfgang von Kempelens (1770, den Phonautographen Scott de Martinvilles (1857),das Konzept des Paleophons von Charles Cros (1877). Den Durchbruch von der Tonaufzeichnung zur Wiedergabe schaffte der Super-Erfinder Thomas Alva Edison mit dem Phonographen, 1878 patentiert. Schubert spielte eine Wiedergabe der Stimme Edisons mit dem Kinderreim „Mary had a little lamb“ ein, noch viele Kratz- und Knistergeräusche dabei. Die schrittweise Qualitätsverbesserung der Tonwiedergabe wurde geschildert, etwa durch Einbau eines Elektromotors, durch Verwendung von Walzen aus Weichwachs statt wie zuvor beschichtet mit Zinnfolie. Wieder ein seltenes Tondokument: ein wohlhabender Berliner hatte einen Phonografen gekauft und mit einer Weihnachtsbotschaft an sein „liebes, gutes Weib“ besprochen, schnarrend und abgehackt, im Ton der Volksredner von damals. Andere Erfinder schalteten sich ein, so Emil Berliner, der 1888 zum Abspielen von Platten aus Zinkblech das Grammophon entwickelte und patentieren ließ.

Erster serienmäßig hergestellter Plattenspieler (1890)

Auch Edison machte weiter: 1902 die Goldgusswalze aus Hartwachs, 1908 die Amberolwalze mit verdichteten Rillen, 1912 die Blue Amberolwalze aus Zelluloid, 1913 eine Schallplatte, die so genannte Diamond Disc, mit einer winzigen Diamantnadel abspielbar. Die verbesserte Tonqualität zeigte eine Aufnahme von Bizets Torero-Arie, gesungen von Carel van Hulst. Dann eine kleine Sensation: Schubert spielte erst eine Schellackplatte von 1916 mit dem Fliedermonolog aus Wagners „Meistersingern“, dann den Matritzen-Blechdeckel mit derselben Komposition, dieser weitaus klarer und freier von Störgeräuschen. 1932 wurde die erste Stereoplatte im Zwei-Komponenten-Verfahren hergestellt. Der Rundfunk verwandte immer noch Wachsplatten für zeitversetztes Senden. Letztes Nadeltonbeispiel war ein Mambo von 1954 in hervorragender Tonqualität. Schubert beschloss diesen Abschnitt mit einem kecken amerikanischen Bonmot: „Die Schallplatte ist das Tollste, auf das sich je eine Nadel gesetzt hat, seit Marylin Monroe gegen Pocken geimpft wurde!“

Mit Magnetismus hatten im 19. Jahrhundert schon etliche Naturwissenschaftler experimentiert: Hans Christian Ǿrstedt, Humphrey Davy, schließlich Alexander Graham Bell, der 1876 das Telefon zur Marktreife führte. „Telegraphon“ nannte der Däne Valdemar Poulsen sein Gerät zur Aufzeichnung und Wiedergabe von Schallwellen durch elektromagnetische Induktion. Wieder ein Raritäten-Hörbeispiel, diesmal mit der Stimme des österreichischen Kaisers Franz Joseph: „Ich danke sehr für die Vorstellung…“ Er hatte auf der Pariser Weltausstellung von 1900 Poulsens Telegraphon besprochen. 1928 entwickelte Fritz Pfleumer einen magnetisierbaren Tonträger, das Tonband aus Papier. Durch Anwenden von Hochfrequenztechnik, eingeführt etwa durch Dr. Walter Weber, verschwand das Rauschen. Amüsiert hörte das Publikum Abschnitte der „Familie Hesselbach.

Erwin Mengel vom Stiftungsvorstand, ehemaliger Physiklehrer, hatte mit anderen Technik-Freaks Schuberts Vortrag fasziniert verfolgt. Am Schluss wurde ein ganz besonderes Hörerlebnis geboten: Schubert spielte ein Tonband aus dem Knauf der Liebfrauenkirche ein.

Ton-Dokument aus dem Kirchturmknauf der Liebfrauenkirche in Schotten

Bei Dachdeckerarbeiten 1955 hatten die Handwerker ihre Bausprüche aufgenommen. „Unglaublich, wie das Band extreme Hitze und Kälte oben im Turmknauf überstanden hat“ erinnerte Mengel an die Bergung und dankte Schubert, der die Aufzeichnung durch Kollegen rekonstruieren lassen konnte.

Erwin Mengel und Hans Schubert

Text Elli Maresch