Lorch am Rhein (2020)

Vogelsberger Kultur- und Geschichtsverein fährt nach Lorch am Rhein
(2020)

Zum ersten Mal in diesem Jahr gab es wieder eine Fahrt des Vogelsberger Kultur und Geschichtsvereins. Trotz hoher Temperaturen machten sich 26 Kulturinteressierte auf dem Weg nach Lorch, das zum Weltkulturerbe Mittleres Oberrheintal gehört.

Lorch am Rhein

Lorch war im Mittelalter sehr wohlhabend. Im Hafen der Stadt mussten die auf dem Rhein transportierten Güter in kleinere Schiffe oder auf Pferdefuhrwerke umgeladen werden, da das berüchtigte Binger Loch gefährliche Stromschnellen hatte und bis zur Rheinregulierung im 19. Jahrhundert nicht schiffbar war. Hohe Zölle, der Weinhandel und die Tuchproduktion führten zu einem beträchtlichen Wohlstand und zur Ansiedlung vieler Adelsgeschlechter.
In Lorch mündet die Wisper in den Rhein. Als wir am Parkplatz ausstiegen konnten wir statt eines kleinen Flusses nur noch ein trauriges Rinnsal erkennen. Das Wahrzeichen von Lorch ist die St. Martinskirche. Noch heute überraschend ist ihre reiche Ausstattung. Ursache dafür war die Spendenfreudigkeit der Adelsgeschlechter. Anfang des 19. Jahrhunderts musste dieser Eindruck noch viel überwältigender gewesen sein. Damals wurden viele Einzelstücke verkauft, um die notwendige Renovierung der Kirche zu finanzieren wie uns unsere beiden sachkundigen Stadtführer berichteten.
Der größte Schatz in der Kirche ist ein monochromer Schnitzaltar eines unbekannten Meisters aus dem Jahr 1483, etwa 100 Jahre früher als die weitaus bekannteren Riemenschneider Altäre.

Altar aus der Jahr 1483

Über der fast lebensgroßen Muttergottesfigur in der Mitte des Altars ist der Kirchenpatron, der hl. Martin zu sehen, wie er seinen Mantel mit einem Bettler teilt.

Der heilige Martin teilt seinen Mantel mit einem Bettler

Rechts und links finden sich Heiligenfiguren mit ihren jeweiligen Attributen. Während die vollrunden Gesichter alle einem bestimmten Typ folgen liegt der Reichtum der Gestaltung in den fein ausgearbeiteten Gewandformen und in dem Variationsreichtum der Schreinarchitektur mit vielfältigen Rankenmustern. Ungewöhnlich sind zwei Büsten in der Predella. Sie zeigen zwei Kirchenväter, die mit ihren pfiffig-schlauen Gesichtern der weinfrohen Lorcher Landschaft entstammen könnten. Ganz oben am Altar findet sich ein Pelikan, der sich die Brust aufreißt und mit seinem Blut seine Jungen füttert. Er ist ein Symbol für den Opfertod Christi.

Mahnender Kirchenvater

Ein optisches Schmuckstück der Kirche ist die Ratzmann Orgel aus dem 19. Jahrhundert. Besonders schön ist aber ihr voller Klang, den der Organist mit drei verschieden Stücken demonstrierte. Kurios ist das „Riesling Register“. Wird es vom Organisten gezogen, öffnet sich unter Vogelgezwitscher ein verborgenes Weinschränkchen vor dem Orgeltisch. Das zarte Gezwitscher mündete dann in das volle Manual. Die Orgel muss restauriert werden und dazu haben sich die Lorcher etwas ganz besonderes ausgedacht. Sie verkaufen „Riesling Gezwitscher“ vom Weingut Lakai mit einem künstlerisch gestalteten Etikett zu einem Sonderpreis. Von jeder verkauften Flasche fließen 4,50 € in den Sanierungsfonds. Selbstverständlich orderten mehrere Mitglieder unsere Gruppe das „Riesling Gezwitscher“.

Stadtrundgang

Bei dem anschließenden Stadtrundgang gab es Gelegenheit, das kleine aber sehr hochwertige Stadtmuseum zu besuchen mit vielen mittelalterlichen Skulpturen. Bemerkenswert ist auch das Hilchenhaus, ein Wohnhaus im Renaissancestil, das von einem der bedeutendsten Adelsgeschlechter der Stadt errichtet wurde. Heute befindet sich darin ein Restaurant. Im „Strunk“ – einem ehemaligen Wehrturm – werden heute Paare getraut. Der Turm diente auch mal als Gefängnis.
Zu Mittag aßen wir in der „Krone“ unter einem Blätterdach in Assmannshausen. Anschließend fuhren wir mit dem Schiff vorbei am „Mäuseturm“ in der Mitte des Rheins nach Rüdesheim. Nach einer Kaffeepause ging es dann zurück nach Schotten. Es war für alle ein gelungener Ausflug nach der langen Coronapause.