Unbekanntes Hessen – Entdeckungen mit Erika Müller (2014)

Über einen schmalen Waldweg schlängelt sich der Bus zum Christenberg, einem vier Hektar großen waldfreien Plateau mit einem markanten Kirchenbau, der Martinskirche inmitten eines Friedhofs. Er war die erste Station des jüngsten Ausflugs des Vogelsberger Kultur- und Geschichtsvereins, der aufgrund der profunden Kenntnisse Erika Müllers, der Vorsitzenden des Denkmalbeirats im Vogelsberg, für die 33 Teilnehmenden zu einem besonderen Erlebnis wurde.

Begeisterte TeilnehmerInnen

Der Christenberg war bereits zu keltischer Zeit besiedelt und hatte für die Archäologen bis zur Entdeckung des Keltenfürstes einen ähnlichen Rang wie der Glauberg. Nachdem die Kelten verschwunden waren siedelten sich im Mittelalter die Franken an. Von der damaligen dichten Bebauung sind heute noch Burgmauerreste und Reste der Befestigungsanlagen erhalten.

Evangelische Martinskirche

Die heute evangelische Martinskirche aus dem lokal vorhandenen roten Sandstein wurde im romanischen Architekturstil errichtet und ist der Nachfolgebau eines vermutlich karolingischen Gotteshauses an dieser Stelle. Sein einschiffiges Langhaus und der Wehrturm stammen aus der Zeit um 1000. Das Chorgebäude, das das Langhaus an der Ostseite abschließt, wurde erst 1520 hinzugefügt. Eine weitere Besonderheit ist eine Außenkanzel an der Südseite, die mit 1618 datiert ist.

Nahe bei der Kirche befindet sich ein historisches Küsterhaus in Fachwerkbauweise, das ein kleines Museum beherbergt, in dem die Funde von dem Christenberg dokumentiert sind. 

Dieses Museum beherbergt die Funde von dem Christenberg

Weiter geht es nach Langenstein. Seinen Namen hat das Dorf vom langen Stein, einem 4,75 Meter hohen Hinkelstein, der ca. 60 Tonnen wiegt und an der Kirchhofsmauer der evangelischen Sankt Jakobus Kirche in der Mitte des Ortes lehnt.

Der kleine Platz hat wieder eine ganz besondere Atmosphäre.

Der lange Stein

Die Kirche versetzt die Teilnehmer/innen dann endgültig ins Erstaunen. Sie besitzt als nur eine von zwei Kirchen in Deutschland ein doppeltes freischwebendes sechseckiges wabenförmiges Netzgewölbe, das der Kirchenkuppel eine ungemeine Leichtigkeit verleiht. Auch die Schnitzereien an der Kanzel und die Tafelbilder an der Empore wurden ausgiebig bewundert.

Wabenförmiges Netzgewölbe in der Kirchenkuppel

Nach einer Mittagspause ging es zum Frauenberg mit einer imposanten Burgruine. Sie stammt aus der Mitte des 13. Jahrhundert. Sophie von Brabant, Tochter der heiligen Elisabeth und Mutter des ersten hessischen Landgrafen Heinrichs I., ließ diese Burg (nach 1252), als Bollwerk gegen das kurmainzische Amöneburg errichten. In der Nachfolgezeit war die Burg unter wechselnder Lehnsherrschaft. Die frühe Zerstörung der Burg fand bereits in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts statt. Der nur knapp 8 Kilometer von der Marburger Stadtmitte entfernte Frauenberg ist einer der am meisten besuchten Aussichtspunkte der Region. Bei klarem Wetter reicht der Blick weit ins Land hinein.

Auf dem Burgplatz steht ein eher unscheinbarer Stein. Er ist Teil einer wissenschaftlichen Anlage, die die Vermessung der Welt zum Thema hat. Erdacht wurde sie von Christian Ludwig Gerling, Mathematiker, Physiker und Astrologe, geboren 1788. Er erhielt 1822 den Auftrag, Kurhessen zu vermessen. Hierfür entwickelte er die sogenannte Kurhessische Triangulierung, ein Verfahren, das auf einem Netz von Dreiecken basiert. Mit diesem System hatte er die Entfernung Einbeck – Berger Warte auf 23 cm genau gemessen. Der 175 Jahre alte Steinpfosten stürzte irgendwann um und geriet in Vergessenheit, bis er vor 2 Jahren von einem Freundeskreis als“ kulturhistorisch wertvolles astronomisch – geodätisches Kleindenkmal“ wieder aufgestellt wurde.

Wittelsberger Warte

Den Abschluss fand der Ausflug in Wittelsberg, wo die als Ruine erhalten gebliebene Wittelsberger Warte von 1431, einen Rundturm mit Wall und Graben bewundert wurde. Sie befindet sich unmittelbar neben der Pfarrkirche und diente den hessischen Landgrafen dazu, die durch den Ort führenden Fernstraßen zu überwachen. Landgraf Ludwig I. ließ die Warte als äußerstes Grenzwerk der hessischen Macht erbauen, als Vorposten für die Burg Frauenberg. Von der erhöhten Lage auf dem Kirchberg aus reicht der Blick weit über das Gebiet der Gemeinde Ebsdorfergrund. Der Wartturm, der zu den ältesten Bauwerken im Ebsdorfergrund gehört, wird im Volksmund „die Schanze“ genannt.

Ein Abschlusskaffee in gemütlicher Runde schloss den rundum gelungenen, vom Wetter begünstigten Ausflug ab, was in dem Dank an Frau Müller von der Vorsitzenden Elke Schmidt und der Schriftführerin des Vereins, Jutta Kneißel zum Ausdruck gebracht wurde.