»Wir dürfen nicht vergessen«: Porträt des jüdischen Pädagogen Arno Stern an Heimatmuseum übergeben (Januar 2025)

Trotz der Flucht vor den Nazis blieb der jüdische Pädagoge Arno Stern der Stadt Schotten immer verbunden. Jetzt hängt sein Porträt, gemalt von der Niddaer Künstlerin Annekatrin Zint, im Vogelsberger Heimatmuseum.

Das Vogelsberger Heimatmuseum erinnert künftig mit einem Porträt dauerhaft an Arno Stern. Der im vergangenen Jahr im Alter von 100 Jahren verstorbene jüdische Pädagoge und Forscher besuchte in seiner Kindheit mehrmals Schotten. Hier wurden sein Vater und seine Großeltern geboren. Arno Stern erblickte in Kassel das Licht der Welt, nachdem die Eltern dorthin gezogen waren.

Daran erinnerte Laudator Ulrich Ritter (Nidda-Schwickartshausen) im Rahmen einer feierlichen Veranstaltung mit 20 Gästen in den Räumen des Heimatmuseums. Anlass war die Übergabe eines Porträts von Arno Stern an den Vogelsberger Kultur- und Geschichtsverein.

Das Gemälde hat die Niddaer Künstlerin Annekatrin Zint bei einem Besuch Sterns in Schotten im Januar 2019 angefertigt und jetzt dem Museum überlassen. Den Rahmen dazu hat Ellen Betz gestiftet

Malerin Annekatrin Zint (rechts) und Ellen Betz übergeben ein gerahmtes Porträt von Arno Stern an das Vogelsberger Heimatmuseum. Foto Drinkuth

Besondere Verbundenheit

Arno Stern habe eine besondere Bindung an Schotten gehabt. »Er hat sich bei seinem Besuch selbst als Schottener Kind bezeichnet«, betonte Ritter in seinem Vortrag. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 plante der Vater von Arno Stern mit seiner Familie die Flucht.

Von Kassel über Schotten gelangten sie nach Frankreich, weiter in die Schweiz und schließlich unter widrigsten Umständen wieder nach Frankreich zurück, in die Nähe von Paris. Die meisten der Verwandten Arno Sterns blieben in Deutschland zurück und wurden schließlich in den Gaskammern ermordet.

Arno Stern fand 1946 Zuflucht in einem Heim für Kriegswaisen. Seine Aufgabe war es hier, die Waisen zu beschäftigen. So begann er mit ihnen zu malen. Daraus entstand der berühmte Malort Sterns. Malorte von ihm gibt es heute an sehr vielen Orten in der Welt. Auch in der heimischen Region gibt es solche Einrichtungen, wie beispielsweise in Gießen, in Mücke oder in Stockhausen.

»In den Malorten können Menschen jedes Alters in einer friedlichen und kreativen Atmosphäre zur Ruhe kommen«, erläuterte Ulrich Ritter. Die immer gleichen Orte sind ausgestattet mit großformatigem Papier an den Wänden, in der Mitte ein Tisch mit Paletten und Pinseln. »Geordnet und mit Regeln, die nicht reglementieren, sondern beschützen sollen«, unterstrich der Laudator.

Nicht bewerten oder bewundern

Zum geschützten Raum gehöre es auch, nicht über die Bilder zu sprechen, sie nicht zu bewerten oder zu bewundern. »Heute brechen wir mit dieser zentralen Regel Arno Sterns. Es ist notwendig, über Arno Stern und die Geschichte des Malortes zu reden. Wir sollten uns seine großartige Lebensleistung als Vorbild nehmen, wir dürfen nicht vergessen«, betonte Ulrich Ritter. Annekatrin Zint habe keinen Auftrag gehabt, das Porträt zu malen. »Es geschah anlasslos«, so Ritter. »Sie wollte Arno Stern mit dem Porträt nur einfach würdigen.«

Ein glücklicher Zufall sei es gewesen, dass Ellen Betz die Malerin in ihrem Atelier in Schwickartshausen besucht habe. Da habe Betz, eine Schülerin von Schülern von Arno Stern, das Porträt gesehen. »So kam der Stein ins Rollen und schließlich die Übergabe von Bild und Rahmen an das Heimatmuseum.«

Annekatrin Zint habe Arno Stern bewusst mit einem ernsten, traurigen Gesichtsausdruck porträtiert, erläuterte Ritter. »Das Erlebte spiegelt sich in dem Gesichtsausdruck von Arno Stern.« Man könne auch mit schlechten Erfahrungen ein gutes Leben führen – wenn man Glück hat. »Die Erfahrungen bleiben aber dennoch schlecht. Angesichts von sechs Millionen anderen Opfern ist da nichts zu beschönigen«, betonte Ritter und mahnte gleichzeitig: »Wir dürfen nicht vergessen.«

 

Quelle: Kreis Anzeiger 21.01.2025