Ein Literarisch-musikalischer Abend (Oktober 2025)

Zum literarisch-musikalischen Abend des Vogelsberger Kultur- und Geschichtsvereins konnte die Vorsitzende Dr. Jutta Kneißel knapp 70 Interessierte begrüßen. Das Thema „Wind des Aufbruchs, Schatten der Gewalt – Paare in unruhigen Zeiten“ gestalteten Sylvia Knoth und Elfriede Maresch (Sprecherinnen), ergänzt durch Lieder der entsprechenden Epochen mit Katharina Pipp (Gesang) und Thomas Appel (Klavier).

Gefördert wurde diese Veranstaltung im Dietrich Bonhoeffer-Haus durch das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ „All you need is love“ – mit dem Beatles-Titel führten Appel und Pipp zu einer Einstimmung auf das Thema: hat dieses Lied, haben Märchen („…und wenn sie nicht gestorben sind…“) recht? Sind Paarbeziehungen lebenslang ein Schutzraum gegen eine Außenwelt der Konflikte, Machtkämpfe, Kriege? Was hält Paare zusammen, was treibt sie auseinander?

Im Mittelpunkt standen die gemeinsamen und auch getrennten Lebenswege von Katharina von Bora und Martin Luther, Bettina Brentano und Achim von Arnim, Maria von Wedemeier und Dietrich Bonhoeffer, Petra Kelly und Gerd Bastian vor dem Hintergrund in ihrer turbulenten und schwierigen Zeiten.

Katharina von Bora und Martin Luther

Aus einer Skandalhochzeit 1525 – ein ehemaliger Mönch heiratete eine aus dem Kloster geflüchtete Nonne – wurde ein Lebensmodell für Jahrhunderte: das evangelische Pfarrhaus. Maresch schilderte die Arbeitsteilung zwischen Martin Luther und seiner Frau Katharina. Er zentraler Theologe der Reformation, Lehrer mehrerer Studentengenerationen und genialer Bibelübersetzer, sie Managerin des Großhaushalts einschließlich der Selbstversorgerlandwirtschaft und der Finanzen sowie Mutter von sechs Kindern – ein Paar, das sich in seiner Verschiedenheit ergänzte, sich lebenslang verbunden blieb.

Elfriede Maresch

Petra Kelly und Gert Bastian

Mit einer dramatischen Szene führte Knoth zu einem Paar, dessen Verstrickung in Gewalt endete. Auf Drängen der Angehörigen öffnet die Polizei im Oktober 1992 ein Wohnhaus in Bonn und findet zwei Leichen: Petra Kelly, wohl getötet von ihrem Lebensgefährten, dem Ex-Bundeswehrgeneral Gert Bastian, der sich dann selbst erschossen hat. Kann die Beziehung von zwei Ikonen der Friedensbewegung so enden? Knoth schilderte den Lebensweg der beiden, ihren Einsatz für Frieden und Menschenrechte, aber auch ihren überfordernden Aktionismus, ihr Hineingleiten in eine erstickende Symbiose, die ausweglos erschien.

Sylvia Knoth

Musikalische Begleitung mit Katharina Pipp und Thomas Appel

Ob das zärtliche „Wach auf, meins Herzens Schöne“ aus dem 16. Jahrhundert vor der Luther-Skizze oder Georg Danzers eindringliches „Frieden“ vor dem Kelly-Bastian-Abschnitt – Katharina Pipp, ausgebildete Musicalsängerin, interpretiert Lieder mit einer Ausdrucksstärke, die das Publikum begeistert. Der Pianist Thomas Appel begleitet sie einfühlsam und setzt doch eigene improvisierende Akzente.

Katharina Pipp und Thomas Appel

Bettina Brentano und Achim von Arnim

Das junge Paar, das 1811 in Berlin heiratet, tut dies in wahrhaft unruhigen Zeiten für Preußen. „Die französische Besatzung schickte junge Männer in Napoleons mörderische Kriege und blutete das Land wirtschaftlich aus“ fasste Maresch knapp zusammen. Ständiger Geldmangel belastet die Beziehung, die so zärtlich und scheinbar übereinstimmend zwischen den beiden Literaturfreunden Bettina Brentano und Achim von Arnim begonnen hat. Die schwärmerische Bettina wünscht sich ihren Mann als Dichter in einem anregenden Freundeskreis, Arnim hat sich mit dem Leben auf seinem wenig ertragreichen Gut abgefunden, braucht eigentlich eine tüchtige Gutsfrau als Ergänzung. Getrennt und doch verbunden leben die beiden. Nach Arnims frühem Tod idealisiert Bettina den Verstorbenen, findet aber zu eigenständigen Lebensstil als erfolgreiche Autorin und hilft mutig in Notlagen, etwa bei einer Choleraepidemie.

Maria von Wedemeyer und Dietrich Bonhoeffer

„Schenk mir einen bunten Luftballon“- mit einem verspielten historischen Schlager führten Pipp und Appel zu Sylvia Knoths biografischer Skizze von Maria von Wedemeyer und Dietrich Bonhoeffer. 1943 verlobten sich die 19-jährige und der um 18 Jahre ältere Theologe, der im Widerstand gegen das NS-Regime aktiv war. Nur eine kurze Nähe -Bonhoeffer wurde verhaftet. Die Paarbeziehung war auf Briefe und die wenigen Besuchszeiten im Gefängnis beschränkt. Mit Briefabschnitten der beiden spiegelte Knoth eindringlich die kleinen Gesten der Zärtlichkeit, das Ringen um Fassung, um Hoffnung, verdichtet in dem Text „Wer bin ich?“ und dem Weihnachtsbrief von 1944 an Maria mit Bonhoeffers Gedicht „Von guten Mächten wunderbar geborgen“. Am 9. April 1945 wurde Bonhoeffer nach einer fragwürdigen „Gerichtsverhandlung“ gehängt. Noch einmal „Von guten Mächten wunderbar geborgen“: nach Pipps und Appels Lied war ein Moment Stille im Saal, ehe das Publikum mit langem Beifall für einen so lebendigen wie bewegenden Abend dankte.

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